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Umfrage zum Warnowquartier (bis zum 5. Mai)

Um den 20. April 2023 herum flatterte in viele Haushalte der Stadtteile Dierkow, Toitenwinkel und Stadtmitte ein Flyer, der eine#Umfrage zum geplanten zukünftigen Warnowquartier am östlichen Ufer der Unterwarnow bewarb.

Die Umfrage ist bis zum 5. Mai offen und kann unter folgender URL ausgefüllt werden (auch von Bewohner:innen anderer Stadtteile): https://survey.lamapoll.de/WarnowQuartier

Am Ende dieses Artikels sind die Fragen der Umfrage zu finden.

In einer solchen Umfrage zu einem neuen Stadtquartier könnten Fragen zu wichtigen und konfliktreichen Themen gestellt werden:

  • Welche Eigentumsstruktur soll das neue Quartier erhalten?

    • Verteilung auf Kommunale Wohnungsgesellschaft, Genossenschaften, Eigentumswohnungen und andere Wohnungsunternehmen?
  • Wie soll die Zugänglichkeit zum Wasser gestaltet werden?

    • Privatisierte Uferzonen erhöhen den Verkaufswert der Immobilien, reduzieren jedoch die Nutzbarkeit für die Stadtgesellschaft.
  • Wie soll die soziale Durchmischung des Quartiers sichergestellt werden?

    • Sozialer Wohnungsbau und Mietpreisbindungen, Festlegung von Flächenanteilen.
  • Ist das Projekt als Ganzes erwünscht?

    • Es gibt zwar bereits Bürgerschaftsbeschlüsse zur Planung, aber ein breites Meinungsbild ist trotzdem wertvoll.

Stattdessen konzentriert sich die Umfrage leider eher auf vage, ökonomisch bedeutungslose oder objektiv unstrittige (also rein rhethorische) Fragen.
Im englischsprachigen Raum ist diese Diskursform als "Bike-Shedding" oder als "Law of Triviality" bekannt: Gruppen neigen dazu, sich unangemessen intensiv mit trivialen und leicht zugänglichen Fragen ("der Farbe des Fahrradstellplatz"), aber viel zu wenig mit relevanten Fragen (der Abwägung privater und öffentlicher Interessen mit hohem ökonomischem Wert) zu befassen.

Die Umfrage wirkt also leider eher wie die Simulation einer Beteiligung, da sie keine wichtigen Fragen stellt und da die Antworten zu keinen konkreten Handlungen führen.

In diesem Sinne stellt die Umfrage eher die unterste Stufe der#Bürgerbeteiligung dar: die "Information".
Die nächsthöhere Stufe ("Konsultation") dürfte aufgrund der Banalität der Fragen nicht ernsthaft erreicht werden.

Nachfolgend sind ein paar Notizen und Einschätzungen zur Umfrage zu finden.

Vorgeschichte

Im Rahmen der BUGA-Planung wurde Gedanken zur baulichen Umgestaltung der wassernahen Fläche am östlichen Ufer der Unterwarnow unter dem Titel "Warnowquartier" konkretisiert.
Im Juli 2020 wurde damals bereits zu einer Bürgerbeteiligung zur Einreichung initialer Ideen aufgerufen.
Nach der Absage der BUGA durch die Stadt Rostock wurde ein Teil der BUGA-Projekte weiter fortgeführt, darunter auch das Warnowquartier.

Seit November 2022 liegt ein "Gestaltungshandbuch für Hochbau" vor.

Anspruch

Die Projekt-Webseite (www.warnowquartier.de) beschreibt die geplanten Rahmenbedingungen des Projekts.

Sozialer Wohnungsbau:

Im Warnowquartier soll eine Quote von mindestens 30% geförderter Wohnungsbau umgesetzt werden.

Ökonomischer Rahmen:

Die Grundstücke werden ausschließlich im Rahmen einer Konzeptvergabe als Erbbaurecht an Investoren vergeben.

Mobilität:

Dementsprechend wird der überwiegende Bereich des WarnowQuartiers autofrei konzipiert. Autos können in den Quartiersgaragen am Rande des Quartiers geparkt werden.

Bürgerbeteiligung:

Ein wichtiger Bestandteil des Projektes ist die hohe Beteiligung von Bürger*innen an der Entwicklung. Dazu zählen bspw. Vor-Ort-Begehungen, ein Anlaufpunkt zur Information, Baustellenführungen oder auch weitere Informationsveranstaltungen.

Diese Ansprüche müssten natürlich in Form von Bürgertagsbeschlüssen und Bauplänen konkretisiert werden, um rechtlich bindend zu sein.

Die reale Qualität der Bürgerbeteiligung lässt sich vielleicht exemplarisch an dieser aktuellen Umfrage abschätzen, da eine Umfrage typischerweise mindestens die Ebene der "Konsultation" oder gelegentlich auch die Ebene der "Einbeziehung" erreicht.

Bewertung

Die Umfrage besteht aus 20 Fragen (siehe Ende des Artikels). Die Fragen teilen sich meiner Einschätzung nach in folgende Kategorien auf:

  • Abfrage von Wünschen: 8 Fragen (2, 6, 7, 8, 9, 13, 14, 15)

  • Bewertung der individuellen Betroffenheit: 6 Fragen (3, 4, 5, 10, 11, 12)

  • Feedback zur bisherigen Öffentlichkeitsarbeit rund um das Warnowquartier: 3 Fragen (1, 16, 17)

  • Demografie der Teilnehmenden: 3 Fragen (18, 19, 20)

Die Fragen zu den individuellen Wünschen der Teilnehmer:innen dürften das eigentliche Herz dieser Umfrage sein.
Alle Fragen drumherum dienen lediglich dazu, die Teilnehmer:in anhand ihrer Betroffenheit von der Planungsmaßnahme einzustufen (Nähe zum Wohnort, Häufigkeit der Nutzung, …), sowie die Einreichungen anhand demografischer Daten zu gruppieren.

Die folgende Diskussion beschränkt sich somit auf die essentiellen Fragen nach den Wünschen der Teilnehmer:innen.

Frage 2: "Was ist wichtig?"

Einer Liste von Punkten (siehe das Ende dieses Artikels) können Bewertungen von "unwichtig" bis "sehr wichtig" zugeordnet werden.

Die abgefragten Punkte spiegeln eher den aktuellen Stand typischer Stadtplanungsschlagworte wider, als eine wirkliche Entscheidung von der Teilnehmer:in abzufragen.

Schließlich würde sich wohl niemand ernsthaft gegen attraktive Grünflächen, sichere Straßenquerungen, Klimaschutz oder Barrierefreiheit aussprechen wollen.

Diese Frage scheint also vor allem dazu zu dienen, den Teilnehmer:innen zu versichern, dass alle zeitgemäßen Themen bereits bedacht wurden und in die Planungen eingeflossen sind.

Doch selbst wenn man die Fragen als inhaltliche Neugierde einstufen würde, bliebe noch offen, welche konkreten Handlungen sich aus den Antworten ableiten ließen. Dazu sind die Punkte einfach zu allgemein und schwammig formuliert.

Frage 6: "Wie nehmen Sie derzeit das Gelände überwiegend wahr?"

Aus einer solchen Meinungsäußerung ist nur schwer eine Planungshandlung ableitbar. Oder könnte die Antwort "es ist dort sehr sauber" dazu führen, dass in dem neuen Quartier weniger Mülltonnenstellplätze eingeplant werden?

Frage 7: "Glauben Sie, dass das neue WarnowQuartier Anlässe bieten wird, sich in Zukunft häufiger dort aufzuhalten?"

Diese hypothetische Frage enthält zu viele Ungewissheiten und Mehrdeutigkeiten (z.B. die konkrete Erwartungshaltung der Teilnehmer:in), um aus der Antwort eine praktische Handlung ableiten zu können.

Frage 8: "Was würde Sie davon abhalten, das neue WarnowQuartier zukünftig aufzusuchen?"

Wenn die Umfrage-Autor:innen daran interessiert wären, die Wirkung von abstoßenden Eigenschaften eines Stadtviertels zu erfragen (z.B. "kein direkter Wasserzugang" oder "zu wenig Parkplätze"), dann wäre die Auflistung solcher möglicher Umstände (siehe Frage 2) effektiver gewesen, als diese offene Frage.
Erfahrungsgemäß antworten Teilnehmer:innen bei kurzen Umfragen (so wurde diese beworben) nur selten auf Fragen, die eine Freitext-Antwort erfordern.

Frage 9: "Erwarten Sie Veränderungen durch das neue WarnowQuartier, die sich positiv bzw. negativ auf Ihren Stadtteil und die Umgebung auswirken?"

Diese vage und hypothetische Frage wird (ebenso wie Frage 8) nur wenig Resonanz erzeugen und ist aufgrund der offenen Fragestellung nur schlecht auswertbar.

Frage 13: "An der Grenze des WarnowQuartiers in Richtung Innenstadt ist eine neue Straßenbahnhaltestelle geplant. Damit würde die Station Dierkower Damm nach Norden verlegt. Sind diese Veränderungen für Sie persönlich nützlich?"

Neben der Frage ist eine Zeichnung der Positionen der neuen Straßenbahnhaltestellen zu finden.

Zuvor lag die Straßenbahnhaltestelle "Dierkower Damm" ziemlich genau mittig zwischen "Petridamm" und "Dierkower Kreuz".
Zukünftig wird es auf dieser Strecke zwei statt einer Haltestelle geben, wobei die Haltestellen grob gleichverteilt positioniert werden (im Abstand von knapp 500 Metern).

Aufgrund der übersichtlichen aktuellen Bebauung der Umgebung ist leicht erkennbar, dass die zwei zukünftigen Haltestellen für nahezu alle denkbaren Nutzer:innen entweder neutral oder von Vorteil sein dürften.

Die Frage ist daher rein rhetorischer Natur und dürfte keinen Erkenntnisgewinn bringen.

Frage 14 und 15: "Würden Sie oder jemand in Ihrem Haushalt … nutzen?"

Die Antworten könnten vielleicht einen gewissen Hinweis auf die Nachfrage nach den genannten kulturellen oder betreuenden Angeboten liefern.

Einschätzung

Die Umfrage bestätigt leider die bisherigen Erfahrungen des Autors mit Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung: dort dürfen alle Teilnehmer:innen Pappkärtchen mit vorhersehbarem Inhalt zu unstrittigen Fragen an Aufstellerwänden befestigen, welche anschließend brav zur Dokumentation fotografiert aber ansonsten ignoriert werden.

Auch diese Umfrage erweckte kein Gefühl der Neugierde auf die Wünsche der Befragten. Sie schien eher dazu zu dienen, den Punkt "Beteiligung" mit einem Haken zu versehen und abzuschließen.

Es ist bezeichnend, dass die Umfrage keine der sonst üblichen Feedback-Fragen zur Umfrage selbst enthielt. Somit hatten die Befragten leider keine Gelegenheit, ihren eventuellen Unmut bezüglich der Qualität oder Auswahl der Fragen auszudrücken.

Für die Zukunft würde ich mir bei Bürgerbeteiligungsverfahren der Stadt eine höhere Qualität wünschen. Bei jeder Maßnahme der Beteiligung sollte immer mindestens klar sein, welches konkrete Ziel erreicht werden soll. Bei guten Umfragen ist dieses selbstgesteckte Ziel dann deutlich anhand der Struktur der Fragen zu erkennen - nicht im Sinne von "Beeinflussung", sondern einfach nur als das Gegenteil von Ziellosigkeit.

Anhang: Fragekatalog der Umfrage

Die folgenden Punkte wurden teilweise aus dem Gedächtnis paraphrasiert niedergeschrieben. Einzelne Formulierungsdetails mögen also abweichen.

  1. Haben sie bereits vom Warnowquartier gehört?
  2. Was ist wichtig?
    • Attraktive öffentliche Grün- und Freiflächen

    • Maßnahmen zum Klimaschutz

    • Radschnellweg entlang des Dierkower Damms

    • Attraktives Radverkehrsnetz durch das WarnowQuartier

    • Gute Anbindung mit Bus und Straßenbahn

    • Autofreiheit im Wohngebiet

    • Bündelung der parkenden Autos an einem Ort, Reduktion von Stellplätzen an der Straße

    • Öffentliche Leih-Angebote z.B. von Fahrrädern, Lastenrädern, Fahrradanhängern und Autos

    • Sichere Querungsstellen (Fuß/Rad) am Dierkower Damm

    • Zugang zum Wasser zu Fuß über eine Steganlage

    • Barrierefreie Gestaltung im gesamten Quartier

    • Ladesäulen für E-Fahrzeuge und E-Fahrräder

    • Verkehrssparende Lösungen für Paketlieferungen

    • Innovative digitale Lösungen für das Quartier (z.B. freies WLAN im öffentlichen Raum)

    • Nachhaltige & ressourcenschonende Ver- und Entsorgung

  3. Angabe des eigenen Stadtteils
  4. Wie weit ist das zukünftige WarnowQuartier von Ihrem Zuhause entfernt?
  5. Wie nutzen Sie oder Ihr Haushalt (Personen, die mit Ihnen zusammen in Ihrem Haushalt wohnen) aktuell das Gelände?
  6. Wie nehmen Sie derzeit das Gelände überwiegend wahr?
  7. Glauben Sie, dass das neue WarnowQuartier Anlässe bieten wird, sich in Zukunft häufiger dort aufzuhalten?
  8. Was würde Sie davon abhalten, das neue WarnowQuartier zukünftig aufzusuchen?
  9. Erwarten Sie Veränderungen durch das neue WarnowQuartier, die sich positiv bzw. negativ auf Ihren Stadtteil und die Umgebung auswirken?
  10. In welchen Stadtteilen halten Sie/Ihr Haushalt sich in Ihrem Alltag am häufigsten auf?
  11. Welche Verkehrsmittel nutzen Sie bzw. Ihr Haushalt für die alltäglichen Wege im Bereich des zukünftigen WarnowQuartiers?
  12. Wie oft nutzen Sie die Straßenbahnhaltestelle Dierkower Damm?
  13. An der Grenze des WarnowQuartiers in Richtung Innenstadt ist eine neue Straßenbahnhaltestelle geplant (siehe 1). Damit würde die Station Dierkower Damm nach Norden verlegt (siehe 2). Sind diese Veränderungen für Sie persönlich nützlich?
  14. Würden Sie oder jemand in Ihrem Haushalt entsprechende Angebote nutzen? ("Mehrfamilienhaus", "Kita", "gemeinschaftliche und kulturelle Angebote")
  15. Würden Sie oder jemand in Ihrem Haushalt solche öffentlichen Angebote nutzen? ("Neubau für die Theaterwerkstätten", "Probebühne", "Cafe oder Kantine")
  16. Haben Sie sich schon einmal bei einer Veranstaltung zum WarnowQuartier informiert oder eingebracht?
  17. Welche Quellen nutzen Sie, um sich über das WarnowQuartier zu informieren?
  18. Wie viele Personen leben in Ihrem Haushalt? (durchgehend oder auch nur tageweise)
  19. Wie alt sind die Personen in Ihrem Haushalt?
  20. Welche Sprache/n sprechen Sie in Ihrem Haushalt?
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