Kein Schlusswort – Buchvorstellung der Plädoyers der Nebenklage im NSU-Prozess mit Dr. Peer Stolle
Mit ca. 400 Verhandlungstagen in 5 Jahren ist es eines der aufwändigsten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte: Der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) am Münchener Oberlandesgericht. Die Plädoyers vieler der über 90 Nebenklägerinnen und ihrer Anwältinnen waren auch eine Abrechnung mit dem gebrochenen Aufklärungsversprechen der Bundeskanzlerin. Denn die bohrenden Fragen der Betroffenen blieben von staatlicher Seite bislang unbeantwortet: Wie erfolgte die Auswahl der Opfer? Wie groß war das an den Morden und Anschlägen beteiligte Unterstützernetzwerk? Was wussten die Sicherheitsbehörden – insbesondere der Verfassungsschutz – und warum wurde seitens des Staates nicht eingegriffen? Wie konnte der NSU überhaupt entstehen?
Diesen und anderen Fragen gehen vier vom NSU-Terror Betroffene und acht Nebenklagevertreterinnen in ihren Plädoyers nach und entwerfen eine eindrucksvolle Gegenerzählung zum staatlichen Narrativ im NSU-Komplex.
Wenige Tage vor der erwarteten Urteilsverkündung wird uns der aus aus Rostock stammende Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle mit der Buchvorstellung Einblick in die Arbeit und Ziele der Nebenklage gewähren. Er vertritt in der Nebenklage den ältesten Sohn von Mehmet Kubaşık, der am 4.April 2006 in Dortmund vom NSU ermordet wurde. In seinem Plädoyer arbeitet er die Ursprünge des NSU in der Thüringer Naziszene auf und zeigt die Logik und Kontinuität der darin wurzelnden Eskalation seit den 90er Jahren auf. Jedes einzelne Plädoyer wäre Anlass für eine gesonderte Veranstaltung und enthält brisante im Prozess offen gebliebene Fragen die offenkundig machen, dass die Aufarbeitung des NSU-Komplexes auch in Mecklenburg-Vorpommern weitergeführt werden muss.