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Offener Leserbrief: Etwa 3,5% der Rostocker Bevölkerung "schreibt Geschichte" -- für die OZ scheinbar unter "ferner liefen"!

Sehr geehrte Rostocker Medienmacher:innen der Ostseezeitung Online Redaktion. Moin, moin,

gestern demonstrierten rund 8000 Menschen unterschiedlichen Alters, Überzeugungen, diverser Couleur. Das sind über 3,5% der Rostocker Gesellschaft! Ein Spektrum und eine Masse, welche Sie als führendes, lokales Nachrichtenmedium in angemessener Weise repräsentieren sollten. Sie veröffentlichen in dem Artikel "Tausende bei „Fridays for Future“ in Rostock: „Wir schreiben Geschichte“"[1] -- sogar durch eigene prominent plazierte Worte unterstrichen -- ein Zeitdokument. Und gerade dieses verschließen Sie hinter einer Bezahlschranke.

Die Vorderseite von ostsee-zeitung.de hingegen sieht so trist und unbedeutend alltäglich aus, die Rostocker Unterseite nicht viel anders wie die angehängten Bilder zeigen, als sei es ein Tag wie jeder andere gewesen. Ist das wirklich das Rostock, in dem ich lebe? Repräsentiert dieses Bild wirklich den gestrigen Rostocker Tag?

Ich schäme mich an diesem Tag, ein Rostocker zu sein. Ich schäme mich in einer Stadt zu leben, die von einem Medium mit "Nachrichten" versorgt wird, welches die Prioritäten nicht im Ansatz im Verhältnis zum Gebotenen gesetzt bekommt.

So kleinkarriert und verschlossen kann doch eine Hafen- und Hansestadt nicht sein wollen! Mein Erleben von Rostock ist auch ein anderes.

Andere Medien der gleichen Welt, in der auch Sie leben, von der auch Sie berichten, berichten über den gleichen Tag beispielsweise von dem offenen Brief hunderter Australischer Akademiker:innen[2]. Dieser adressiert zwar vorrangig das Versagen der Australischen Regierung beim einleiten notwendiger Maßnahmen. Die Akademiker:innen richten sich allerdings ausdrücklich auch an alle Regierungen dieser Welt, also auch an die unsere, mit dem gleichen Apell. Gehörte nicht auch in Ihren Augen soetwas viel eher auf die Vorderseite einer größeren Zeitung, mindestens aber ein Bericht über die weltweiten, unser aller Leben stark beeinflussenden Klimastreiks in so vielen Städten so vieler Länder gleichzeitig?

Mir ist dabei bewusst, dass sie als zwangsweise Profit orientiertes Unternehmen wenig Wahl haben, Geld einzutreiben, wo sie nur können. Erbärmlich finde ich es dennoch in anbetracht solch existenzieller Fragen, besonders in geschichtlich einmaligen Zeiten, wie diesen. Genau mit jenem zwangsweisen "Wachstum um jeden Preis" reiten wir uns immer weiter ins Aussterben, anstatt die Lebensgrundlage zu retten, die noch zu retten ist.

Ich würde mich freuen, schafften Sie die enorm große Herrausforderung und brächten Sie den Mut auf, diesen Leserbrief zu veröffentlichen. Fassen Sie sich ein Herz für uns alle. Helfen auch Sie ab heute maßgeblich mit, die Bevölkerung über die Tatsachen aufzuklären, in welchen Zeiten wir (noch!) leben. Wir leben mitten im sechsten großen Massenaussterben. Alle 4-7 Minuten stirbt eine Art aus -- richtig, nicht ein Lebewesen, eine Art! Viele davon Insekten, die für unsere Ernährungsproduktion essentiell sind. Lenkten wir nicht zügig und drastisch ein, könnte der Mensch bald eine dieser ausgestorbenen Arten sein. Verursacht durch unser aller Lebensstiel und aufrecht erhalten durch unsere Trägheit -- zumindest in der "entwickelten" Welt. Das Gute an dieser Erkenntnis ist jedoch: Wir sind genau diejenigen, die das noch ändern können! Es ist nie zuspät, das zu tun, was möglich ist. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, auf allen Ebenen gleichzeitig sofort und der Situation angemessen zu handeln! Mit vereinten Kräften! Friedlich und gewaltfrei! Mit den Worten aus dem offenen Brief der Akademiker:innen: "it is their moral duty to rebel to ‘defend life itself’" (etwa: "Es ist unsere moralische Pflicht zur Rebellion, um das Leben selbst zu verteidigen").

Ich bin niemand besonderes. Ich bin einer der vielen Mitschuldigen mangels besseren Wissens, der -- nun aber wissend -- mithilft, das Ruder noch rechtzeitig rumzureißen. Packen auch Sie heute noch mit an.

Mit freundlichen Grüßen, einer von vielen der "Extinction Rebellion" -- der Rebellion gegen das Aussterben. Für Fragen stehe ich selbstverständlich gern mit Namen und Gesicht bereit.

[1] https://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Fridays-for-Future-Wir-schreiben-Geschichte
[2] "'We declare our support for Extinction Rebellion': an open letter from Australia's academics" (sinngemäß etwa: "'Wir bringen unsere Unterstützung für Extinction Rebellion -- die Rebellion gegen das Aussterben zum Ausdruck': https://www.theguardian.com/science/2019/sep/20/we-declare-our-support-for-extinction-rebellion-an-open-letter-from-australias-academics

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