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Meet the Rebels - Episode 4

Meet the Rebels

In der Reihe "Meet the Rebels" wollen wir der unpersönlichen Diskussion der (sozialen) Medien eine persönliche Note entgegen setzen. Abseits von politischen Grabenkämpfen und Frontbildung (denn das klingt alles so schlimm nach Krieg) wollen wir euch das wichtigste an der Rebellion vorstellen, den/die einzelne(n) RebellIn.
Extinction Rebellion ist dezentral und offen für Alle, die sich mit unseren Prinzipien identifizieren können. Doch vor Allem ist die Rebellion divers in ihren Emotionen, Gedanken und Eindrücken, und das ist eine wunderbare Sache. In mehreren Episoden möchten wir deshalb unsere persönlichen Gedanken mit euch teilen.
Vielleicht wird dadurch euer Durst nach Positionierung nicht gestillt, aber hey, wir sind alle nur Menschen, im Zweifelsfall, fragt einfach nach.

Episode 4 - Rain

Ich bin Rain von Extinction Rebellion Rostock.
Es tut mir leid, aber das hier ist ein Notfall.
Wir stecken mittendrin im Klimawandel und im 6. Massenaussterben, und die Aussichten auf
Besserung sind alles andere als rosig.
Im Gegenteil. Die wissenschaftlichen Vorhersagen sehen nicht nur unsere Ökosysteme zusammenbrechen, sondern auch unsere menschlichen Gesellschaften, wenn wir so weitermachen wie bisher geplant.
Wie geht es uns damit? Wie geht es mir damit?

Ganz klar: Mein Leben ist aus dem Rhythmus geraten. Ich sorge mich um die Zukunft. Manchmal hab ich richtig Angst. Ich hätte gerne ein zweites Kind, aber ich traue mich nicht. Angenommen, ich würde es wagen, noch einmal schwanger zu werden, welche Zukunft würden die
Klimaforscher_innen meinem Zweitgeborenen vorhersagen?

Mein zukünftiges Kind könnte Ende 2020 geboren werden. Die meisten Wildtiere würde es nur aus
Bilderbüchern kennen. Ich könnte ein paar verstorbene Insekten in kleinen Schachteln
aufbewahren, damit es sich später vorstellen kann, wie sie ausgesehen haben. „Guck mal, eine
Schwebfliege! Eine Grille! Und die dicke flauschige Hummel hier! Kannst du dir vorstellen, wie die Wiesen früher aus jeder Richtung gesummt und gezirpt haben?“
Stattdessen würden Extremtemperaturen und heftige Naturkatastrophen zu seinem Alltag gehören. In seiner Schulzeit würden unglaublich viele Orte unter den Meeresspiegel sinken. Und wenn es so alt wäre wie ich jetzt, würde es bis zu einer Milliarde Klimaflüchtende Menschen geben. Menschen, die keine Heimat mehr haben. Ich befürchte, dass mein Kind Kriege um Nahrung und Trinkwasser erleben müsste. Falls es seinen 80. Geburtstag überleben würde, wäre die Erde zum großen Teil unbewohnbar und hätte sich um 2-5° erwärmt. Eine weltweite Erwärmung von 4° könnte es nicht überleben.
Wie könnte ich jemanden wissend in so eine Zukunft schicken? In so einen Albtraum?
Also bin ich nicht schwanger.

Aber ich habe bereits ein zweijähriges Kind. Und für dieses Kind möchte ich stark und mutig und
gerecht sein. Und liebevoll. Und ehrlich. Unsere Kommunikation sieht zum Beispiel so aus.

„Mama, wo gehst du hin?“
„Ich werde einen Vortrag halten. Ich treffe mich mit ganz vielen Rebels und erzähle wichtige
Sachen.“
„Aber was erzählst du denn?“
„Ich erzähle davon, dass die Welt sehr kaputt ist, weißt du. Und was man dagegen tun kann.“
„Aber wo ist die Welt kaputt?“
„Zum Beispiel die Wälder sind kaputt, viele brennen. Und das Eis ist kaputt, das schmilzt, weil es zu warm wird…“

Mir fiel es schwer, ihm das zu erklären. Aus Sorge, dass ihn diese Themen stark verunsichern
könnten. Aber er zeigte unbesorgt mit seinem kleinen Zeigefinger auf mich und sagte:
„Zum Glück kannst du das reparieren, Mama.“

Da musste ich erstmal durchatmen und meine Tränen wegblinzeln. Aber ich möchte ehrlich sein.
Leise sagte ich: „Ich schaffe es nicht alleine.“

Ich stolperte innerlich. Ich will doch stark sein und mutig! Und seine Zukunft nicht aufgeben! Aber es gibt etwas, was mich wirklich aufbaut, wenn ich an diese Grenze komme. Ich sagte es ihm.

„Ich muss das zum Glück nicht alleine machen. Aber alle Rebels gemeinsam, die schaffen das.
Wenn wir alle zusammenhalten, dann können wir die Welt reparieren.“

„Ja natürlich,“
sagt er und zeigte mir, was man tun müsste. „Zwei Rebels halten die Welt -so- und
die anderen wickeln immer drumrum -so- und dann ist sie wieder heil!“

Und wisst ihr was? Im Grunde hat er Recht. Er vertraut darauf, dass wir Erwachsenen in der Lage sind, die Welt zu reparieren. Und das sind wir auch. Wir Menschen, die das Problem verursacht haben, können das Problem noch lösen, wenn wir uns beeilen. Und es macht mir Mut, dass so viele Menschen gemeinsam die gleichen Ziele verfolgen. Und dass wir trotz der absoluten Dringlichkeit der Krise nach wichtigen menschlichen Werten handeln:
Wir sind achtsam, rücksichtsvoll, gewaltfrei, miteinander, offen für Gespräche. Wenn wir uns an unseren gemeinsamen Zielen und Werten orientieren, sind wir ein Teil von Extinction Rebellion.

Hier wäre ein schönes Ende für meinen Text gewesen. Leider kann es aber passieren, dass jemand glaubt, der Zweck heilige alle Mittel, um dann im Alleingang unsere Wertevorstellungen außer Acht zu lassen. Mit negativen Auswirkungen auf alle Personen in der Bewegung.
So wie Roger Hallam,dessen Verhalten mich furchtbar frustriert hat. Ja, ich bin wütend, aus mehreren Gründen.

Erstens
haben derart verletzende Aussagen bei XR keinen Raum, denn wir sind gewaltfrei.
Zweitens
sollte niemand „das Gesicht von XR“ in den Medien sein, denn wir sind dezentral und selbstbestimmt.
Das Dritte ist schwerer zu beschreiben.
Roger hatte konkrete „Vorschläge“ ausgearbeitet, wie wir bei XR Deutschland reagieren könnten, um die mediale Aufmerksamkeit in die gewünschte Bahn zu lenken. Das haben wir allerdings nicht getan, denn wir sind nicht hierarchisch strukturiert.
Angesichts der geringen Integrität von Rogers Verhalten mit unseren Werten ist er für mich einfach kein Teil unserer Bewegung.

Extinction Rebellion ist noch jünger als mein Kind. Genauso steckt sie noch in einem stetigen
Entwicklungsprozess. Es ist okay, wenn wir mal stolpern. Aber dann machen wir weiter. Wir helfen
uns gegenseitig wieder auf die Füße und sehen uns den Kieselstein und das aufgeschürfte Knie
ganz genau an. Was können wir daraus lernen?
Wir können natürlich die Augen offen halten, solche Gefahren vorzeitig bemerken und
deeskalieren. Insbesondere Situationen, in denen einzelne Personen zu viel Macht erhalten. Ich
hoffe, all diejenigen, die in Roger bisher ein Vorbild gesucht haben, erkennen es allmählich:

Wir brauchen gar keine Vorbilder. Die Werte, die wir suchen, finden wir nur in uns selbst und in
unserem Gegenüber. Wir brauchen keine einzelnen, lauten Stimmen. Lasst uns lieber den vielen leisen Stimmen mehr Gehör verschaffen. Ich danke insbesondere allen Umweltrebell_innen – egal
aus welcher Bewegung – die ihre Gedanken teilen, offene Gespräche führen und erkennen, was wirklich wichtig ist. Nämlich handeln und zusammenhalten, um diese Erde gemeinsam zu
reparieren.

Tags:#XRleiseStimmen,#MeetTheRebels

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