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Offener Brief an die Bürgerschaft - Fraktion Die Linke

Offener Brief an die Fraktion „Die Linke“ in der Rostocker Bürgerschaft zum Umgang
mit dem kulturellem Erbe in der Hansestadt Rostock

Liebe Fraktion,
Liebe Eva-Maria Kröger,
wie aus vielen kritischen Pressemitteilungen bekannt ist, bewegt seit längerem der Verlust von
einigen Denkmalen und ortsbildprägenden Gebäuden in Rostock nicht nur die Rostocker Bürge r,
sondern auch Einwohner der Umlandgemeinden. Der kritische Blick auf Rostock hat
mittlerweile eine Breite erreicht, die weit über den Bereich der dienstlich Zuständigen und
ehrenamtlich Tätigen hinausgeht. Inzwischen interessiert es den kulturbewussten und
engagierten Bürger in und außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns, wie sorgfältig und ehrlich
Rostock mit seinem kulturellen Erbe umgeht. Denn nicht nur Rostock leidet unter dem Verlust
von Denkmalen und ortsbildprägender Substanz, sondern auch andere Orte verlieren infolge
mangelnder Baukultur massiv an Charakter.

Ein Verlust von Denkmalen bedeutet immer einen unwiederbringlichen Verlust von kultureller
Identität. Und unsere Denkmale sind aus verschiedenen Gründen bedroht: durch
Umwelteinflüsse, mangelnde Finanzkraft der Eigentümer, fehlende Fördermöglichkeiten und
auch (politisches) Desinteresse, um nur einige zu nennen. Manchmal stehen diese Objekte
einem Investor einfach nur im Weg und müssen weg, um beispielsweise Platz für ein
Einkaufszentrum zu schaffen. Es gibt immer noch Politiker, die bei einem kommunalen
Denkmal nach der Meinung verfahren: Ein Denkmal erhalten kostet Geld und verursacht Ärger - ein Denkmal verkaufen bringt Geld in die Gemeinde- oder Stadtkasse und schafft vielleicht
Arbeitsplätze.

Klar ist uns allen, dass niemand alle Denkmale erhalten kann. Wir werden auch zukünftig
Verluste hinnehmen müssen und es werden neue, andere Gebäude in den DenkmalstatusSeite 2
erhoben. Es geht uns in diesem Brief vielmehr darum, auf unnötige Verluste von intakter
Denkmalsubstanz in Rostock kritisch hinzuweisen und eine andere Politik im Umgang mit
Denkmalen zu fordern, von der auch der Landkreis Rostock letztlich profitiert.

Speziell geht es um das Denkmal mit dem Namen „Heinkel-Wand“ in Rostock. Ein Denkmal,
das seinesgleichen sucht, für den Einen ein Mahnmal ist, für den Anderen vielleicht etwas
anderes - aber trotz aller Widersprüchlichkeit in herausgehobener Lage Geschichte und
Geschichten an authentischem Ort lebendig in Erinnerung hält. Dieses Denkmal kennt durch die
Aufmerksamkeit in der Presse wohl jeder und wir brauchen es nicht näher erläutern.

Weil allgemein ein Denkmal aus verschiedenen Richtungen bedroht ist, ist es aus gutem Grund
durch das Denkmalschutzgesetz geschützt. Wie konnte es also zu diesem Verlust der „Heinkel-
Wand“ kommen, dessen Abriss am 15. Januar 2018 beginnen soll? Verallgemeinert betrachtet,
sind die Ablaufschemen von Tätigkeiten mit dem Ziel, ein Denkmal zu beseitigen, meist
ähnlich: Das Denkmal muss aus dem Schutz des Gesetzes genommen werden. Dazu wird es in
der Regel einige Jahre dem Verfall preisgegeben, dann stellen Gutachten den maroden Zustand
fest und veranschlagen hohe Kosten einer Sanierung, die einen Erhalt als unzumutbar
erscheinen lassen. Mit diesen Unterlagen kann dann der Eigentümer eine Abrissgenehmigung
beantragen usw. Sollte das zuständige Kultusministerium als oberste Denkmalschutzbehörde die
Abriss-Zustimmung verweigern, kann nämlich das Bauministerium den Abriss genehmigen: So
wird es in Mecklenburg-Vorpommern praktiziert. Diese Anträge können durchaus notwendig
und ehrlich begründet sein, was aber leider nicht immer der Fall ist, wie uns die Geschichte
lehrt.

Es gibt also genug Gründe für die örtliche Politik, eine jährliche Zustandsübersicht aller
Denkmale zu fordern, sich aus fachlichen Gründen mit kundigen Beratern der „Denkmalszene“
gut zu vernetzen, sich selbst gut zu informieren und vorgelegte Gutachten/Begründungen im
Rahmen der Ausschusstätigkeit für den beantragten Abriss genau zu prüfen und im Zweifelsfall
hartnäckig zu hinterfragen. Es ist hauptsächlich eine Frage der Organisation, bei hohem
Arbeitsanfall und wenig vorhandener Zeit, seiner Pflicht nachzukommen.

Die Aufmerksamkeit muss auch dann der Fall sein, wenn Eigentümer und
Genehmigungsbehörde praktisch in Personalunion auftreten, wie es bei der „Heinkel-Wand“
mit der stadteigenen WIRO als Eigentümer und dem städtischen Denkmalamt als
Genehmigungsbehörde der Fall ist, zumal es schon lange Zweifel an entscheidenden Gutachten
gab. Zweifel an deren fachlichen Qualität wurden bereits 2015 durch das Landesdenkmalamt
(Fachbehörde) in Schwerin erhoben und durch einen Bericht über eine Akteneinsicht (2017)
faktenreich erweitert. Es war also genug Zeit, sich auf kommende Entscheidungen in der
Bürgerschaft entsprechend vorzubereiten.

Diese genannten Gutachten und Berichte mit teilweise völlig gegensätzlichen Darstellungen
waren allen Fraktionen der Rostocker Bürgerschaft im Detail bekannt, und trotzdem stimmte
die Rostocker Bürgerschaft und vermutlich auch Teile der Fraktion „Die Linke“ im Dezember
2017 gegen einen Dringlichkeitsantrag des KTV-Ortsbeirates. Dieser Antrag forderte einen
Aufschub des Abrisses um nur wenige Tage(!). Mit dieser Abstimmung wurde verhindert, dass
ausreichend Zeit für eine Überprüfung angezweifelter bzw. die Klärung widersprüchlicher
Aussagen vor Abriss des Denkmals „Heinkel-Wand“ innerhalb zweier noch laufender
Petitionsverfahren auf Landesebene zur Verfügung steht. Es wurde verhindert, dass
gerichtsfeste Gegengutachten gefertigt werden können. Es wurde leichtfertig eine Chance
vertan, was unser Unverständnis hervorruft. Es ist doch sehr bedauerlich, wenn ein Denkmal
durch unlautere Mittel beseitigt wird. Widerstand gegen das Offensichtliche wird es in diesem
Jubiläums-Jahr trotzdem geben, auch wenn sich in Rostock Aufklärungswille und -bemühen in
Grenzen halten.

Wir haben hier in Elmenhorst/Lichenhagen einen Denkmalbereich mit vielen, teils anders
gelagerten Problemen und ungewisser Zukunft, alles erhalten zu können. Aber wir bemühen uns
nach Kräften und sehen den Erhalt der dörflichen „Seele“ als eine Pflicht an.
Im Mai 2017 wurde auf einer Zusammenkunft von Basisorganisationen der Umlandgemeinden
mit der Rostocker Fraktion in Broderstorf eine (bessere) Zusammenarbeit angeregt, was außer
Zweifel unbedingt erforderlich ist. Diese Zusammenarbeit hätte der Fraktion in der Rostocker
Bürgerschaft in Denkmalfragen sicher sehr geholfen.

Mit freundlichen Grüßen
Harry Kunas

Die Linke
Basisorganisation Lichtenhagen
18107 Elmenhorst/Lichtenhagen

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Kommentare

  1. Es ist ein Grauen, wie mit dem Denkmalschutzgesetz umgegangen wird. Das ist leider nicht nur in Rostock üblich. Eine Frage: Gibt es über Rostock eine Denkmaltopographie?

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