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Das war der Anlaufpunkt am 28.06.21

Der vergangene AP fand in kleiner Runde statt. Im Focus war die Auswertung einer erfolgreichen Amtsbegleitung beim Jobcenter. Diese hat sehr gut funktioniert und wir haben hervorragende Unterstützer:innen. Sollte das Gefühl aufkommen nicht ernst genommen zu werden, ist es sehr sinnvoll Zeug:innen dabei zu haben. Außerdem wird bei diesen Einladungen mit Sanktionsandrohung häufig der Versuch unternommen miese Jobs und SINNLOSE Maßnahmen zu „vermitteln“. Daher ist bei solchen Terminen äußerste Vorsicht geboten und es ist vollkommen legitim sich Hilfe zu suchen.

Der Termin war wie erwartet ziemlich anstrengend und der Betroffene durfte sich wieder mal die übliche SGB II – Scheiße anhören. In Anwesenheit der Begleitperson wurden abwertende Sprüche gegenüber Berufsgruppen nicht wiederholt und sogar abgestritten. Außerdem wurde aus fadenscheinigen Gründen das Recht auf Akteneinsicht nicht gewährt, obwohl ein ordentlicher schriftlicher Antrag dafür vorlag.

Auch interessant ist, dass anonymisierte Daten die im online Portal des JC gespeichert werden für jeden „Arbeitgeber“ zugänglich sind. Wiederholt machte der Betroffene die Erfahrung, dass von Unternehmen (die ziemlich sicher keinen richtigen Arbeitsplatz anbieten wollten) Aufforderungen zu Bewerbung kamen. Nach etwas Recherche in Bewertungsportalen kam heraus, dass diese Anfragen wahrscheinlich bloß das Ziel hatten personenbezogene Daten abzugreifen und zu vermarkten. Sicherlich ist das nicht so gewollt, aber anscheinend gibt es niemanden der so etwas prüft. Trotz der Bitte des Betroffenen die anonymisierten Daten für niemanden zugänglich zu machen wurde diese abgelehnt. (Daher werden weiterhin Nachrichten im Postfach der Jobbörse erscheinen wie: „ihr Profil hat uns sehr gut gefallen, schicken sie doch bitte eine Bewerbung mit all ihren persönlichen Daten an diese Adresse…“).

Ebenfalls sehr unangenehm war für den Betroffenen, der Hinweis auf der „Einladung“: eine normale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht für Nichterscheinen nicht aus. Sondern er müsste sich zusätzlich noch eine kostenpflichtige Bescheinigung die, die Abwesenheit für diesen Termin rechtfertigt vom Arzt geben lassen. Andersrum wurde in der Vergangenheit ein telefonischer Termin nicht einmal abgesagt und es kam einen Tag später eine Mitteilung, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorlag (ohne Bescheinigung).

Schon etwas amüsant fand der Betroffene das am Anfang gemachte „Friedensangebot“ und „Kumpel-Getue“, da wie zu erwarten schon ein paar Minuten später wirklich ekelige Sprüche kamen. Besonders schockierend empfand der Betroffene mit welch einer Selbstverständlichkeit diese rübergebracht wurden. Es wurde der Versuch gemacht unpassende Arbeitsstellen, die 60 km entfernt waren, zu rechtfertigen (obwohl der Lebensmittelpunkt des Betroffenen in Rostock liegt), gefolgt von einer Sanktionsandrohung. Oder ebenfalls mit einer Sanktionsandrohung und einem erpresserischen Unterton der Hinweis das auch Jobs im Billiglohnsektor zumutbar sind.

Es ist traurig, dass nach 16 Jahren Hartz IV so etwas überhaupt noch möglich ist, an dieser Stelle hat die bisherige Regierung eindeutig versagt. Gerade kürzlich wurde im Bundestag ein Antrag der Sanktionen endlich abschaffen sollte abgelehnt.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-armutsbericht-847026
Und das ist nur einer von vielen Skandalen in der Hartz IV-Geschichte!

Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Behördenmitarbeiter:innen in E-Mails Texte (in der üblichen diskriminierenden JC-Terminologie) schreiben. Mit Hinweisen was alles zumutbar ist und ansonsten jederzeit ein Verzicht auf Transferleistungen möglich ist. Besonders erschreckend fanden wir wie starr hier auf Paragrafen bestanden wurde. Möglicherweise merken manche Behördenmitarbeiter:innen wirklich gar nicht mehr wie zynisch und verletzend so etwas sein kann.

An dieser Stelle sei nochmal allen Betroffenen gesagt: niemand muss sich diesen schrecklichen Methoden allein stellen. Auch wenn die Hemmschwelle darüber zu reden sehr hoch ist, ist es doch befreiend sich darüber mit anderen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Außerdem ist es sehr wichtig sich nicht alles gefallen zu lassen.
Auf der Suche nach einer Anstellung auf dem richtigen Arbeitsmarkt ist das JC meistens sowieso keine Hilfe, sondern versucht eher die Leute davon fernzuhalten, um den Billiglohnsektor zu subventionieren. Außerdem ist es schon lange Zeit für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, damit die Entscheidung zu arbeiten freiwillig ist und auch für weniger angesehene Berufe ein ordentliches Gehalt gezahlt werden muss.

Für mich sind die regelmäßigen Anlaufpunkte eine tolle Schnittstelle um gemeinsam organisiert dem Struggle des Alltags standzuhalten. Es tut gut über wichtige ernste Themen zu reden und sich mal richtig auszukotzen. Es war schön dabei zu sein!

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