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Flächennutzungsplan 2035: Beteiligungsplattform

Nach dem letzten Flächennutzungsplan für die Stadt Rostock aus dem Jahr 2006 laufen nun - für die Stadtverwaltung sicherlich schon länger - die Vorbereitungen für die Erstellung und Verabschiedung eines neuen Flächennutzungsplans, der bis zum Jahr 2035 gültig sein soll. Der erste öffentlich sichtbare Schritt ist ein Internet-basiertes Bürgerbeteiligungsverfahren (zukunftsplan-rostock.de). Hier werden Einwohner der Stadt aufgefordert, "Ideen" zur zukünftigen Nutzung von Flächen in der Stadt einzubringen. Die Ergebnisse sollen in den weiteren Ablauf zur Erstellung des Flächennutzungsplans #FNP2035) einfließen.

Dieses Beteiligungsverfahren ist in vielerlei Hinsicht ein guter Schritt vorwärts:

  • Beteiligung ist mit geringem Aufwand für viele Menschen möglich

  • der zeitgemäße Kommunikationsweg (Antworten sind nicht mehr per Fax einzureichen!) erleichtert auch Beteiligung durch junge Menschen

  • die Webseite wirkt modern und einladend

  • viele Materialien rund um das Thema wurden in Form einer "Mediathek" zur Verfügung gestellt

Neben diesen schönen Fortschritten gibt es aber noch viele Verbesserungsmöglichkeiten.

Ankündigung und Laufzeit

Der online-Beteiligungsprozess begann am 12. Januar mit einer Pressemitteilung und einer Veranstaltung beim Rathaus. Im Amtsblatt der Stadt (Städtischer Anzeiger) wurde dies aber erst im Nachhinein (eine Woche später) öffentlich. Hier wäre eine Information in der vorherigen Ausgabe des Amtsblatts angemessen gewesen, da das Projekt ja schon ein paar Monate zuvor innerhalb der Stadtverwaltung bekannt gewesen sein dürfte (die Domain wurde zumindest im November angemeldet).

Die verspätete Ankündigung wäre wahrscheinlich unproblematisch, wenn das Beteiligungsverfahren nicht auf eine wirklich kurze Laufzeit von vier Wochen (davon eine Ferienwoche) begrenzt wäre. Da die Kosten einer solchen web-basierten Plattform fast ausschließlich bei der Erstellung und kaum im Betrieb anfallen, erscheint die knappe zeitliche Frist unverständlich. Wurden die externen Entwickler vielleicht zu spät beauftragt oder war notwendiges Begleitmaterial erst zu spät verfügbar?

Der inhaltlichen Auseinandersetzung der Bürger mit dem Thema und dem umfangreichen Begleitmaterial hätte eine längere Laufzeit angesichts der langfristigen Bedeutung des Flächennutzungsplans sicherlich gut getan und wäre angemessen gewesen.

Ziele des Beteiligungsverfahrens

Die Aufforderung des Beteiligungsverfahrens zum Einbringen von "Ideen" bleibt leider recht schwammig und hinterlässt viel Raum für Unklarheit. Welche Arten von Eingaben sind überhaupt thematisch relevant für den Flächennutzungsplan? Die Wiedereröffnung der S-Bahn in Richtung Überseehafen, die Hundekot-Dichte in der KTV, die Lärmbelastigung in der Karl-Marx-Straße oder die Ausdünnung des Baumbestands in den Wallanlagen? Da den befragten Bürgerinnen und Bürgern die Mechanik der Erstellung eines Flächennutzungsplans nicht klar ist, dürfte es ihnen schwerfallen, den Raum der Möglichkeiten sowie dessen Grenzen abzuschätzen und somit relevante inhaltliche Beiträge zu leisten.

Vielleicht wären ein paar Beispiele zurückliegender Aushandlungsprozesse in vergangenen Flächennutzungsplänen hier hilfreich gewesen? Die konkrete Umwidmung von Flächennutzungen oder die Auf- oder Abstufung von Verkehrswegen in der Vergangenheit würde sicherlich ein besseres Verständnis von der Wirkmächtigkeit des Flächennutzungsplans und vom Raum der Möglichkeiten vermitteln.

Die eventuell bewusst diffus gehaltene Fragestellung mag sich positiv auf das unbeeinflusste Einbringen von Ideen auswirken. Die Einreichungen werden aber aufgrund dieser Diffusion der Fragestellung wohl nur wenig konkret und wirkmächtig ausfallen.

Inhaltliche Kanalisierung (Framing)

Der Aufhänger des Beteilgungsverfahrens ist das mutmaßliche Wachstum der städtischen Bevölkerung - basierend auf einer von der Stadtverwaltung durchgeführten Studie (2017).

Die vorherigen Studien zum Thema Bevölkerungsentwicklung nähren jedoch Zweifel an der Zuverlässigkeit solcher Vermutungen:

  • BBR, INKAR 2003: Schrumpfung auf 170.000 Einwohner im Jahr 2020; die Prognose liegt deutlich neben der heutigen Realität

  • WIMES 2012: Schrumpfung auf 198.000 Einwohner im Jahr 2025; aktuell (2018) liegt die Bevölkerungsentwicklung im Trend dieser Studie

Zudem liegt eine Gegenrede von Prof. Linowski vor, welche die fehlende sachliche Grundlage der aktuellen Wachstumsvermutung bemängelt und die Erstellung der Studie durch die Stadtverwaltung kritisch betrachtet.

Für den informierten Umgang der Besucherinnen und Besucher des Beteiligungsverfahrens wäre es jedoch unerlässlich gewesen, die dominante Rahmen-These des Bevölkerungswachstum inhaltlich zu belegen. In den Begleitmaterialien (oder Links im Text) fehlte also zumindest die Studie der Stadtverwaltung, sowie für eine ausgewogene Darstellung eine Gegenrede (beispielsweise von Prof. Linowski). Ebenfalls fehlt die aktuelle Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognose, die laut Ausschreibung (Mai 2017) bis Ende 2017 vorliegen sollte.

Alle weiteren Themenbeschreibungen der Plattform (Wohnen, Wirtschaft, Verkehr, Soziales und Umwelt) beziehen sich ebenfalls auf das geistige Framing einer rapide wachsenden Stadt. Somit sind Meinungseingaben der Befragten bereits im Vorfeld darauf festgelegt, sich ausschließlich mit dem Problem eines hypothetischen Wachstums zu befassen und somit Nutzungsverdichtung und Flächenausweitung als unausweichlich zu akzeptieren.

Eine offene und unbeeinflusste Meinungsabfrage ist unter diesen Bedingungen leider nicht möglich.

Diskussion der Leitthemen

Die Darstellung der Leitthemen fokussiert sich grob auf folgende Punkte:

  • Wirtschaft: Ausweisung zusätzlicher Industrieflächen

  • Wohnen: Nachverdichtung und Erweiterung bestehender Wohngebiete; Umwandlung von Natur- und Grünflächen in Wohnflächen

  • Mobilität: Verdichtung der Innenlagen zur Reduktion von Verkehrsflüssen

  • Soziales: allgemeine Planung öffentlicher Infrastruktur

  • Umwelt: Reduktion von Grünflächen ("soweit verträglich", "was ist möglich ...")

Dagegen werden soziale und ökologische Themen nicht angedeutet:

  • soziale Entmischung (Gentrifikation) von Wohnquartieren (vor allem in innenstadtnahen Gebieten)

  • Stärkung der Peripherie (z.B. des Mittelzentrums in Lütten-Klein), um Verkehrsströme und vorhandenen Wohnraum optimal zu nutzen

  • kein Bezug auf gesundheitliche (Feinstaub, Lärm) und räumliche Belastungen durch Individualverkehr; stattdessen nur ein diffuser Verweis auf die Verbesserung des "Modal-Split" der verschiedenen Verkehrsarten

  • Aufwertung oder Rückgewinnung naturnaher Flächen in Hinblick auf Gesundheit, Klimawandel und Lebensqualität

Diese begleitenden Texte (die wiederum den geistigen Rahmen für das Beteiligungsverfahren definieren) hätten wesentlich mehr inhaltliche Breite und eine ausgewogenere Darstellung verdient.

Ausblick

Das Internet-basierte Beteiligungsverfahren endet heute (09. Februar 2018). Inzwischen sind mehr als tausend Einreichungen eingegangen.

Der nächste Schritt im Verfahren ist die Vorstellung der Ergebnisse dieses Beteiligungsverfahrens am 19. Februar im Moya.

Aktualisierung: Änderung von Flächennutzungsplan für 2020 in Flächennutzungsplan bis 2035, da der Zeitpunkt der Verabschiedung nicht planbar ist.

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