Das Bündnis empfiehlt: Das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen als institutionalisierter Rassismus
Wer das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen gegen geflüchtete Roma-Familien und vietnamesische Vertragsarbeiter:innen verstehen will, muss sich mit institutionalisierten Rassismus als entscheidenden Faktor bei der Entstehung dieses Pogroms auseinandersetzen. Damit sind zu einen rassifizierende wie diskriminierende Diskurse und Praktiken nicht zuletzt in Politik, Verwaltung und Medien im Umgang mit Flucht, Migration und Menschen of Color im wiedervereinten Deutschland in den frühen 1990er Jahren gemeint. Das Zusammenwirken dieser Institutionen erzeugte ein gesellschaftliches Klima, in dem rassistische Angriffe und Morde in breiten Bevölkerungskreisen beklatscht wurden.
Institutionalisierter Rassismus spielt im damaligen wie heutigem Umgang mit diesem Pogrom eine fundamentale Rolle. So stellt sich die Frage, warum ausgerechnet in diesem Fall nicht nur die politische, sondern auch die juristische Aufarbeitung im Nachgang gescheitert sind. Trotz der überragenden gesellschaftlichen und kulturpolitischen Bedeutung dieses Ereignisses fand die wissenschaftliche Analyse und erinnerungspolitische Auseinandersetzung zunächst nicht wirklich statt. Auch nach ihrem zögerlichen Einsetzen verlief dieser Prozess schleppend und unbefriedigend, so dass nach unterschiedlichen Motiven und Interessen der beteiligten Akteuren bei der Aufarbeitung gefragt werden muss. Die Ereignisse vom 22. bis 26.08.1992 in Rostock-Lichtenhagen werden in der Regel nach wie vor in den Medien als Ausschreitungen und Übergriffe bezeichnet und sind als sogenannte Krawalle in Erinnerung geblieben. Diese sprachliche und erinnerungspolitischen Euphemismen zeigen, dass das Pogrom in der Weißen deutschen Mainstreamgesellschaft bis heute nicht wirklich verstanden und verarbeitet wurde.
Referent:
Dr. Kien Nghi Ha, promovierter Kultur- und Politikwissenschaftler, forscht zu Asian German Studies an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Als freier Publizist und Kurator arbeitet er auch zu postkolonialer Kritik, Rassismus und Migration. Zuletzt ist der Sammelband Asiatische Deutsche Extended. Vietnamesische Diaspora and Beyond (/2012/2021) als erweiterte Neuauflage erschienen. Seine Monografie Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen „Rassenbastarde“ (2010/2015) wurde mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien 2011 ausgezeichnet.Andere Bücher u.a. Ethnizität und Migration Reloaded. Identität, Differenz und Hybridität im postkolonialen Diskurs (1999/2004), Hype um Hybridität (2005/2015), re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland (Co-Hg., 2007/2015/2021).
Format:
hybrid, im Rahmen der aktuell geltenden Hygieneregeln
Anmeldung:
via Mail an vielfalt@uni-rostock.de Johanna Schmidt, Vielfaltsmanagement
Perspektiven aus der Wissenschaft auf 30 Jahre Lichtenhagen 1992
Das Pogrom in Lichtenhagen 1992 fand als historischer Moment einen vielschichtigen, auch über Deutschland hinausreichenden Nachhall. Es stellt gemeinsam mit weiteren rassistisch motivierten Gewalttaten der frühen 90-er Jahre eine Zäsur dar.
Den 30. Jahrestag des Pogroms nimmt die Universität Rostock zum Anlass für eine interdisziplinäre Vortragsreihe. Im Sommersemester 2022 werden aktuelle Forschungsperspektiven auf Rostock Lichtenhagen 1992 präsentiert und dabei regionale mit überregionalen Perspektiven zusammengebracht.
Die insgesamt acht Vorträge beleuchten bisherige Leerstellen der Aufarbeitung der Ereignisse. Dabei verbindet die Ringvorlesung unterschiedliche Disziplinen und Perspektiven.
Hinweis:
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.